Praxmarer Helmut und die Eiger Nordwand

Helmut Praxmarer hat sich letztes Jahr mit der Durchsteigung der Eiger Nordwand einen lang ersehenten Wunsch erfüllt. Die spannende Geschichte dazu und wie es ihm bei diesem spektakulären Vorhaben ergangen ist, könnt ihr in den anschließenden Zeilen erfahren. Helli hat zusammen mit Andi Weber diesen unheimlich spannenden Bericht verfasst. Dieser wurde bereits letztes Jahr im Oberperfer Dorfblatt veröffentlicht. Wir geben all jenen, die den Bericht dazumal nicht gelesen haben, hier auf unserer Homepage die Möglichkeit, diesen nachzulesen.

Vor allem können wir hier die vielen gewaltigen Bilder präsentieren. Erst wenn man diese sieht, wird einem bewusst, was Helli da gelungen ist — Wahnsinn!

Höchsten Resepekt, lieber Helli! Gratulation! Ein “Geburtstagsgeschenk” der Sonderklasse! 😉

…den Lesern und “Fotoschaugern” viel Spaß!

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Eiger, Mönch und Jungfrau sind seit jeher die klingenden und beeindruckenden Routen für Bergsteiger im Schweizer Berner Oberland. Oberperfuss hat eine lange Tradition an bergsteigerisch interessierten Männern. Felix Kuen ist im Jahr 1962 mit der Bezwingung der Eiger-Nordwand sicher weit über den Ort hinaus bekannt geworden . In den 50er Jahren bestiegen der kürzlich im 90. Lebensjahr verstorbene Franz Triendl („Miller Franzele“) und Hermann Weber Reigen Hermann“;+2009) gemeinsam den Nachbarberg Mönch. Wenngleich in jüngerer Zeit weitere Oberperfer großartige Leistungen (z.B. Expeditionen auf den Pik Lenin, auf den Baruntse und Satopanth in Asien) vollbracht haben, hat sich seit Kuen keiner mehr an die Eiger Nordwand gewagt. Helmut Praxmarer hat sich in diesem Jahr in den Kopf gesetzt, sie zu seinem 50er zu durchsteigen. Dieses außerordentlich schwierige Vorhaben musste besonders genau vorbreitet werden. Helli begann bereits zwei Jahre davor, sich sowohl körperlich wie auch geistig mit dem hochgesteckten Ziel auseinanderzusetzen. Bücher wurden angeschafft, Kletterrouten immer wieder genauestens studiert. Zusätzlich wurden, ausgehend von einer hohen körperlichen Leistungsfähigkeit als Rennradfahrer und leidenschaftlicher Schitourengeher, sowohl Kletter- als auch Eisklettertouren in Angriff genommen. Mit wem Helmut die Zweierseilschaft bilden wollte, stand schon längere Zeit fest. Es ist Roli Striemitzer, der bekannte Tiroler Profibergsteiger. Er hatte schon einige bergsteigerische Erfahrungen gemacht und wusste daher, dass er sich auf den Roli blind verlassen kann.

Die Eiger Nordwand ist eine 1800 Meter (!) senkrechte Felswand und führt auf den 3790 m hohen Eigergipfel. Die klassische und gleichzeitig bekannteste Route ist jene von Andreas Heckmair im Jahr 1938 geführte 4er-Seilschaft (Anderl Heckmair, Heinrich Harrer, Ludwig Vörg und Fritz Kasparek), die als Erstbegeherroute in die Alpinbücher eingegangen ist. In der Zwischenzeit sind eine Reihe weiterer Durchsteigungslinien beschrieben, die z.T. den Schwierigkeitsgrad 10+ aufweisen.

Nach der 2‑jährigen Vorbereitungszeit war es schließlich im April 2017 so weit. Am Freitag, den 7.4.2017 ging es per PKW nach Lauterbrunnen und mit der Jungfraujoch-Bahn über Kleinscheidegg bis zur Station Eigergletscher. Leider bekamen wir dort kein Zimmer mehr, wir mussten die erste Nacht in einer Garage verbringen. Am nächsten Morgen – Tagwache 4 Uhr – stiegen wir nach 45-minütigem Anmarsch bis zum Einstieg in die Nordwand. Bis zur ersten Schlüsselstelle, dem „Schwierigen Riss“, noch seilfrei, stiegen wir von dort gesichert über den „Hinterstoisser Quergang“ weiter zum „1. Eisfeld“. Zu unserer Überraschung war der in der Tourbeschreibung genannte Eisschlauch (Verbindung zwischen oberem und unterem Eisfeld) nicht vorhanden. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir mussten den blanken Fels mit Steigeisen und Pickel in Angriff nehmen, um den wie Dachschindeln strukturierten Fels zu überwinden. Das war „Wie-auf-rohen-Eiern–klettern“ und kostete uns zwei Stunden Zeit. Nach 10-stündigem Klettern erreichten wir schließlich um 16 Uhr über das „Bügeleisen“ die Stelle, die auch als „Todesbiwak“ benannt ist. In aller Ruhe konnten wir unsere kleine Biwak stelle aus dem Schnee herausarbeiten und uns auf die Nacht einrichten. Das klingt vielleicht etwas locker, aber wenn jedes Stück eigens gesichert werden muss und der Gaskocher kaum Platz findet, dann ist Konzentration erforderlich und jeder Handgriff muss da sitzen (siehe Foto). Dennoch fühlten wir uns auch aufgrund der günstigen Witterungsverhältnisse wie in einem 4‑Sterne Hotel. Ein wunderbares Naturschauspiel bot sich von unserem Adlerhorst aus an: Dem Sonnenuntergang folgte eine sternenklare Vollmondnacht die man in einem Biwak besonders intensiv erlebt. Man glaubt es kaum, aber trotz Minustemperaturen und engen Platzverhältnissen konnten wir doch vier Stunden schlafen. Frühmorgens, nach einem kräftigenden aufgekochten Schneetee, stiegen wir (gleich schwierig wie am Vortag) weiter zu den nächsten Schlüsselstellen, „Aufstiegsrampe“, „Rampen Ausstiegseisfeld“, „Brüchiger Riss“ und Götterquergang“ in die „Spinne“ und den „Quarzriss“ zu den „Ausstiegskaminen“. Der Schwierigkeitsgrad dieser Mixed-Kletterei betrug 7+ bis 8-. Das letzte Stück – eine Eisflanke (Gipfeleisfeld)  – überwanden wir am laufenden Seil recht zügig und so standen wir um 18 Uhr am Gipfel des Eiger.

Was für eine Freude und welch seliges Gefühl. Das vorgenommene Ziel war erreicht, auch wenn uns noch der Abstieg bevorstand. Mit rasender Geschwindigkeit hatte es inzwischen zugezogen, ein Gewitter mit Graupelschauer forderte unsere gesamte Konzentration und restliche Kondition für den Abstieg. Jetzt mussten wir schnell sein. Hochriskant aber dennoch über die 40 Grad steile Westflanke stiegen wir ungeseilt ab, wir hätten sonst noch einmal biwakieren müssen. Die 1800 Höhenmeter bewältigten wir – getrieben durch die schlechten Witterungsverhältnisse – in knapp über zwei Stunden. Dafür wurden wir auch entsprechend belohnt, indem wir in der Station „Eigergletscher“ Zimmer, Dusche, Bier und Suppe genießen konnten. Das unglaubliche Wagnis war geschafft, das Geburtstagsgeschenk perfekt gelungen. Es bleibt eine Erinnerung, die niemals vergessen wird.

H.Praxmarer/A.Weber

 


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